Alleinherrschaft ist in Mode. Exekutivkräfte erliegen gerne dieser Versuchung, sei es in Ämtern oder in Unternehmen. Wie neuerdings öffentlich wurde, gilt das auch für Regiesseure im Bühnenbetrieb. Ingmar Bergman, in Sachen Regie eine Grösse schlechthin, würde darüber den Kopf schütteln. Im Theater lässt sich handlich aufzeigen, welcher Schaden mit Alleinherrschaft angerichtet wird.

Kurz vor seinem Tod sagte Bergman, er vermisse seine Schauspieler. Das dürften die heutigen Feudalisten unter Regiesseuren kaum so sehen. Für sie haben Schauspieler zu gehorchen. Ihr Nachfragen stört bloss den kreativen Prozess. Aber man muss Verständnis haben: Ausführende Kräfte bekommen heute ein Übermass an Verantwortung geschultert. Sie haben für alles gerade zu stehen. Daher beanspruchen sie für sich den nötigen Freiraum. Deshalb sind ihnen auch Prämien in Aussicht gestellt, zumindest in ökonomischen Gremien, so gehen sie eher Risiken ein. Würde man die Verantwortung unter Personen oder Ämtern besser verteilen, gäbe es auch mehr zu klären. Vor allem wäre nicht ausgemacht, wer im Falle eines Versagens den Kopf hinhalten soll. Verantwortungsdiffusion ist für die Justiz kaum belangbar.

Eine Gesellschaft, die Alleinherrschaft fördert, möchte ihre Prozesse beschleunigen.

Die Risiken steigen. Eine bissige Justiz lauert, aber die fetten Boni locken derart, dass man das Wagnis wie ein frisch gebackener Bonapartist im Alleingang beim Schopf packt. Demokratische Gebilde mit verteilter Verantwortung benötigen mehr Zeit. Der Nachteil ist, dass Alleinherrschaft Unzufriedenheit schürt. So verhärtet sie sich gegen Infragestellung. Und genau dadurch ruft sie die Mehrheit gegen sich zusammen, die sie von Anbeginn befürchtet, denn früher oder später wird es zum Aufruhr kommen. Das zeigt die Geschichte zur Genüge. Und für die Annahme, es könnte ab jetzt anders verlaufen, sehe ich keinen Anlass.

Vielleicht sollten sich Theaterleute überhaupt mit der Tatsache bescheiden, dass es bis zur Einrichtung von Film und Kino gar keine Theaterregie gab. Regie beschränkte sich ursprünglich auf technische Anweisungen, wie sie zwangsläufig anstehen, wenn die Kamera ins Spiel kommt: Geh drei Schritte nach links! Du bist noch nicht im Bild! Das Künstlerische kam später dazu. Aus Angst vor Marginalisierung rüstete auch die Bühne mit Regie auf, damit sie Schritt hält. Bergman führte so Regie auf der Bühne, wie er es vom Film her gewohnt war. Das heisst, er bestimmte alles im Alleingang. Nach einigen Aufführungen wollte er seine Regiearbeit wieder einmal begutachten. Da stellte er fest, dass die Schauspieler alles anders machten. Sie hatten seine Anweisungen einfach fallen lassen.

Bergman musste einsehen, dass Theaterschauspieler den Werdegang des Ganzen mitbekommen, wie es auf einem Filmset eben kaum möglich ist. Also sind sie in der Lage, das Ganze von ihrer Warte aus zu beurteilen, wofür gebührende Anerkennung geboten ist. Das lässt sich leicht auf die Politik übertragen: Niemand ist zwar in der Lage, das Ganze zu sehen, also die gesamte Gesellschaft in Herkunft und Werdegang. Wir meinen es zwar, wir täten es, doch nur, weil uns bestimmte Interessen unter den Nägeln brennen. Um so mehr gilt es, dass man grösstmögliche Teilnahme an Entscheidungsprozessen anstrebt. Bergman sah ein, dass er die Ansichten von Bühnenschauspielern miteinbeziehen musste, sollte seine Regie Bestand haben. Zum Beispiel indem er sich von ihnen Vorschläge unterbreiten liess, aus denen er dann eine Auswahl traf.

Die Lösung, die er fand, entspricht genau dem Führungsstil, den das Business-Management als den besten empfiehlt. Nämlich den partizipativen Führungsstil.

Seltsam nur, dass dieser Empfehlung kaum Folge geleistet wird.