Konzentration hat abgenommen, heisst es. Die Sorge, wir würden zu stark abgelenkt, ist berechtigt, die Mühe für mehr Konzentration wohl vergeblich.
Die Jesuiten haben es vorgemacht, als sie antraten, um die Katholische Kirche gegen die Reformation fit zu machen. Dafür griffen sie eine klösterliche Praxis auf: Die Soldaten Gottes hatten sich in besonderen Übungen einem einzigen Thema zu widmen. Dabei waren sie zellulär von allem abgesondert, was sie ablenken könnte.
Das bürgerliche Kinderzimmer erinnert stark an diese Szenerie: Bett mit Pult und Lampe. Auf dass auch die Kinder sich konzentrieren und so zu verlässlichen Streitern jener Volkswirtschaft heranwachsen, die sie ernährt. Mittel der Ablenkung, Zeitschriften, Radio, Fernsehen, Computer, blieben strikt dem elterlichen Wohnzimmer vorbehalten. Mehrere Generationenwechsel waren nötig, bis sie auch im Kinderzimmer Einzug hielten.
Konzentration verkehrt sich rasch in Zerstreutheit, meint man. Wie so oft befürchten wir sogleich das blanke Gegenteil. Wir tun das weniger aus sachlicher Abwägung. Der Missstand verunsichert uns derart, dass wir möglichst rasch mit der nötigen Schärfe dagegen angehen wollen. Also muss man übertreiben, dramatisieren, den Teufel an die Wand malen, sicherheitshalber. Das ist, nebenbei gesagt, auch in der Politik gang und gäbe.
Wo Konzentration schwindet, muss es aber nicht zwingend ins Gegenteil kippen. Es gibt Mittelwege. Therapeuten betonen, Aspgerer oder Autisten seien zwar abgelenkt, aber nicht zerstreut. Sie konzentrierten sich vielmehr auf etwas anderes. Nach meiner Erfahrung verhält es sich bei uns Neurotypischen gleich. Blicke ich mich um, so drängt sich der Schluss auf, dass es heute um Konzentration im zellulären Sinn erbärmlich bestellt ist. Wie bei einer Zwiebel werden zur eigentlichen Aufgabe laufend Lustbarkeiten zwischengeschaltet: Einkäufe, Kontakte, Serien, Artikel, Karikaturen, Kurzfilme.
Damit wird nur privat fortgesetzt, was in der Arbeitswelt schon längst der Brauch ist. Das Scrum-Management etwa gibt vor, die Meinung der Auftraggeber beinahe stündlich abzurufen. Wie soll da Konzentration möglich sein?
Wildtiere sind zu Multitasking in der Lage, wir nicht. Aber vielleicht bildet sich derzeit eine Gewohnheit heraus, die annähernd in diese Richtung geht. Rascher Wechsel der Konzentration als eine Art Zwiebelintelligenz, die den Dynamiken des Lebens, was immer die sein mögen, eher genügt.
Vielleicht war bisher Konzentration unabdingbar gewesen, als man auch zellulär voneinander getrennt lebte.
Nun ist die Welt vernetzt: Kulturen, Wissenschaften, Künste, Menschen überhaupt. Zelluläre Konzentration erinnert so gesehen eher an das Gewühl eines Maulwurfs.
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