Hochsommer in einer Stadt am See. Die Gestade sind dicht bevölkert von Passanten. Ganze Verwandtschaften flanieren die Ufer ab. Und alle werfen sie gepufftes Korn den Schwänen zu, die in Massen herangleiten.

Schwäne stehen für Reinheit und enge Partnertreue. Diese Anmut verfliegt im Nu, sobald die Tiere derart verklumpt und angehäuft die Ufer belagern. Die Vögel werden gemästet. Das kommt mir als Erstes in den Sinn. Mais gilt zwar für gesund. Mineralien, Ballaststoffe. Fettarm und mager an Kalorien eignet er sich als Zeugs zum Knabbern. Trotzdem dient er in Tierbetrieben als bevorzugtes Mastmittel. Haltlos schnäbeln die Schwäne nach dem Korn, das während Stunden pausenlos auf sie herabtröpfelt.

Die gesamte Szenerie verströmt einen Hauch von ordinärer Fruchtbarkeit. Wie das? Ich sehe zweierlei Begierden in einem Zug befriedigt. Alles, was das Leben fördert, hat mit Lüsten zu tun. Stoffwechsel, Fortpflanzung. Dazu kommt Brutpflege. Die Federtiere verschlingen den Mais, während die Passanten sich daran sättigen, dass sie begehrliche Zuwendung eines Lebewesens erfahren. Und wie das gepoppte Korn, dieser eingestülpte Same, mit Keimling und Nährgewebe, von den Vögeln geschluckt wird, ebenso kosten die Leute mit jedem Wurf die Bestätigung ihrer persönlichen Wirksamkeit in dieser unser aller Welt als Mensch unter Menschen und sonstigem Getier.

Also sind es genauso gut die Schwäne, die die Passanten mästen, indem sie sie Happen für Happen zu Brutpflege anstiften und sie auch stillen in dieser allzumenschlichen Bedürftigkeit.

Von der Brücke aus kommt es mir vor, als bildeten die Federviecher einen Teppich, der auf Wellen herangeschwappt in den vielen kleinen Buchten hängen geblieben ist. Eine Schicht wie von weissem Schaum, in der die schwarzen Köpfe mit hellroten Schnäbeln wie Samen oder Keimlinge wogend lagern, ähnlich der dunklen Punkte im Laich von Fröschen.

Und wie die Passanten in diese fruchtbare Masse zusätzliche Keimlinge werfen, befällt mich echtes Erstaunen über das Leben, das diese beiden Gelüste miteinander koppelt, allerdings ungeplant, auf natürlich zufällige Art, ohne Zweck, der naheliegend wäre, eher ironisch, eher beiläufig.

Das Leben scheint eher darauf bedacht, dass es eine Vielfalt an Möglichkeiten am Köcheln hält, auch wenn dadurch kein unmittelbarer Zweck befriedigt wird, statt dass es gewisse Mittel planmässig und sparsam, wie wir es von uns selbst her gewohnt sind, auf ein Ziel hin in Anschlag bringt.

Dieses Ziel dürfte uns unbekannt bleiben.

Denn wir sind wohl auch nur Mittel dafür.