Flughafen Kloten: Mir gefallen die Schweinwerfer entlang der Landebahn. Man spricht von Befeuerung. Bei Nacht wecken sie urban romantische Gefühle. Tagsüber werden sie zu einem Sinnbild für Menschen schlechthin.
Menschen als Scheinwerfer bei Tag? Richtig, was könnte überflüssiger sein! Irrläufer sind wir. Eine Grossverbraucherart, die jedes gesunde Mass mit Füssen tritt. Man sieht’s hier und hört’s: Schwere Maschinen kreischen über mich hinweg. Und man riecht’s, schlecht verbranntes Cherosin.
Aber warum geniesse ich das so sehr?
Genau genommen ist der Balgplatz von Murmeltieren auch ein ökologisches Desaster.
Aber die Menschheit hat den Planeten innert Kürze verändert, darum gelten wir als Fiasko für die Natur. Doch rasche Veränderung der Umwelt ist kein zwingendes Kennzeichen von Naturwidrigkeit. Gut, aber das Dauerdrama zwischen Gefühl und Verstand belegt unsere fragwürdige Sonderstellung. Wir hören auf Befehle, meiden Strafen, treiben Belohnungen ein. Schlimmer und gefährlicher als jede Anfeindung ist pflichtschuldige Hingabe.
Eigentlich ist es unerheblich, wie wir uns verhalten. Schliesslich hat die Natur selbst uns so hervorgebracht, wie wir sind. Dann also arbeitet sie schlecht. Die Natur ist bei der Entwicklung der menschlichen Gehirnmasse hemmungslos über ihr Ziel hinausgeschossen. Von einem Luxusorgan ist die Rede, von einer tumorartigen Wucherung. Da zeichnet sich aber ein böser Widerspruch ab, der Ökos mit grauenvoller Sorge erfüllen müsste. Denn eine Natur, die fehlerhaft ist, gäbe sogar die Rechtfertigung dafür, dass man sich ihr gegenüber widrig verhält, dass man sie korrigiert, ausbeutet, ausmerzt.
Aber dieser Gedanke langweilt mich. Die eigentliche Herausforderung sehe ich darin, dass wir uns eben doch naturgemäss verhalten.
Bei allen Folgen, die das mit sich bringt.
Denn unsere Gehirnzellen atmen stärker als andere Zellen. Sie erzeugen auf Gramm und Sekunde gerechnet zigtausenmal mehr Energie als ein Gramm Sonne.
Hat man Worte dafür?
Und nichts sonst als die Natur hat dafür gesorgt, dass dieses geballte Denkvermögen zur Welt kommt. Das Becken der Frau ist verbreitert. Von Natur aus! Dennoch laufen wir alle als Frühgeburten herum. Und wir erlitten Hitzschläge am Laufmeter, verfügten wir nicht über eine besondere Wärmeableitung, die uns angeboren ist. Und alles nur wegen dieser Sonne im Kopf.
So sind wir kleinen, aber starken Scheinwerfern vergleichbar, die ihre Umgebung bei Tage ausleuchten. Das ist das Sinnbild.
Fürs blosse Überleben wären wir mit Instinkten besser bedient. Ein Vorzug, der an Bakterien kenntlich wird. Sie bilden Generationen im Sekundentakt, während wir unsmit überschüssiger Intelligenz herumschlagen.
Was hat die Natur damit vor? Was hat sie mit uns vor?
Dieses gebündelte Feuern in Menschenköpfen dünkt mich weder Wunder noch Verschwendung. Es ist eine eigene Grösse, die ein eigenes Verstehen erfordert.
Wir verantworten, was wir wählen. So will es das Gesetz. Doch niemand von uns hat die überschüssige Intelligenz gewählt, mit der er sich täglich herumschlägt. Das könnte wenigstens moralisch zu denken geben.
Soeben zieht ein Airbus über mich hinweg, er setzt auf, seine Reifen rauchen. Und ich blicke ihm nach.
Wie er in die flimmernde Weite ausrollt.
Kommentar verfassen