Immer wieder finde ich es erstaunlich, wie die virtuelle Welt urtümliche Regungen in mir wachruft. Im Minecraft wird man auch im bequemen Modus von Zombies und Hexen heimgesucht, aber sie wirken nur neugierig und stehen dir im Weg.

Mit einem Klick aber verpasst man ihnen eine Art Stromstoss. Sie glühen kurz auf und springen in die Höhe und zur Seite. Je nach Gelegenheit, wo die Programmierung sie platziert, schickt man sie mittels solcher Anstösse in die Tiefe, wo sie einfach weitermarschieren oder zerbröseln, je nach Höhe und Typ von Monster. Mit der gleichen Wirkung und ebenso vergnüglich schlägt man Blöcke unter ihnen weg.

Irgendwann stellte ich fest, dass es mir Spass bereitet, wenn ich einfach durch sie hindurchgehe oder zur Seite dränge. Später bekam ich erklärt, wo im Menu das diamantene Schwert zu behändigen ist, und schon erlag ich einer spontanen Lust zur Metzelei.

Aber auch ohne Schwert begegne ich diesen Figuren als Fiesling, gerade in diesem bequemen Modus, den ich durchwegs bevorzuge und in dem sie mir gar nichts anhaben können. Dann klicke ich sie an, ohne Grund, und lasse sie herumspringen.

Auf einmal halte ich inne. Dieser Sadismus ist mir nicht unvertraut. Und zwar als Täter! Vor Jahren, als ich mit meinen Eltern auf Besuch war, strich ich gelangweilt in einem Garten herum. Da war ein kleiner Bub aus der Nachbarschaft. Er sah mich, blickte mich kritisch an, obwohl ich bloss seinen Blick erwiderte. Aber als er ein paar Schritte rückwärts tat, schoss in mir die Lust hoch, ihn zu jagen. Ich rannte los, er floh, stürzte, raffte sich blitzschnell auf, ohne dass er einen Ton von sich gab. Keine Ahnung, was geschehen wäre, hätte ich ihn zu fassen gekriegt. Dafür war ich doch zu pummelig.

Später bekam ich einmal einen Feriengast in die Finger. Ich sperrte ihn ein, griff ihm ins Gesicht, warf ihn zu Boden. Das regelrecht Obszöne daran war, dass ich den Jungen zwischen meinen Attacken immer wieder tröstete.

Genau das, was der Folterknecht seinem Opfer in Orwells «1984» angedeihen lässt.

Der Feriengast, heute glücklicherweise erfolgreicher Familienvater, zog meinen Zorn auf sich, weil meine Eltern sich mehr um das fremde Kind kümmerten als um mich. Ein bedingt entschuldbarer, jedoch verständlicher Zusammenhang.

Davon wusste ich damals freilich nichts. Erschreckend aber, dass die jetzigen Zusammenhänge, die meine Angriffslust auf die Minecraft-Monster erklären und halb entschuldigen, für mich genauso im Dunkeln liegen.

Etwas Tiefenpsychologe könnte hier Abhilfe schaffen.