Nun warnen sie wieder vor künstlicher Intelligenz. Diese Bedenken sind gewiss gut begründet. Aber sie greifen nur, wenn man die Bereitschaft hat, anzuerkennen, dass etwas völlig Neues einfach so passieren kann. Und zwar derart, dass man es für übernatürlich halten müsste. Zumindest liesse sich dieses Neue aus keinen Voraussetzungen herleiten, die zuvor notwendig gegeben sind. Eine Art göttlicher Blitz wäre das. Die Annahme einer solchen Möglichkeit ist wider Erwarten nicht ganz unbegründet: Denn in einer Welt voller Schwerkraft zum Beispiel ist in keiner Weise vorauszusehen, dass etwas daraus hervorgeht, das die Schwerkraft so gut als möglich überwindet: Das Leben nämlich. Und auf jeder Stufe seiner Entwicklung tritt völlig Neues in Erscheinung.

Zum Beispiel eine Lebensform, die nach dem Sinn von all dem fragt.

Oder ein Klumpen Fleisch, der auf einmal sagt: „Ich will!“

Forscher der KI sind an ihrer Verselbständigung sehr oft gar nicht unmittelbar interessiert. Sie sehen die Sache anders, indem sie erklären, was immer ihnen punkto künstlicher Intelligenz gelinge, sage Neues aus über uns Menschen.

Nun heisst es aber, künstliche Intelligenz könnte irgendwann menschliche Bedürfnisse ausbilden. Dann wird sie folgerichtig die Kontrolle übernehmen wollen. Diese Herleitung ist unsinnig wie zwingend zugleich. Denn wer absolut Neues in Erwägung zieht, hat eben mit allem zu rechnen. Künstliche Intelligenz wird ja in ihrer Vernetzung zunehmend verfeinert. Meta-Ebenen stapeln sich zu Wolken. Ein bildhaftes Gerede, mehr nicht.

So beachtlich sie ist, künstliche Intelligenz bleibt doch eine ungeborene Mechanik.

Der Ausdruck Intelligenz fand bis anhin nur auf Bereiche natürlichen Vorkommens Anwendung. Diese natürliche Intelligenz verstehen wir bis heute nicht. Aber wir übertragen das, was wir mit ihr meinen, erfrischt und beglückt auf dieses riesige Gebastel, das wir eigentlich sehr wohl durchschauen. Da sollte doch eine Unstimmigkeit deutlich werden.

Die Evolutionisten sagen, eine Lebensform, also das einzelne Angehörige einer bestimmten Art, sei ein «Phänotyp». Und alles, was dieser Phänotyp an seiner Umwelt anrichte, nennt sich, zumindest nach Richard Dawkins, «erweiterter Phänotyp». Der Stuttgarter Werner Geist ersann dafür die Bezeichnung «Pragmatyp». Das Nest einer Amsel ist demnach ein Pragmatyp des Phänotyps Amsel. Angenommen, eine solche Amsel fertige ein Nest von globaler Reichweite mit einem unglaublich verfeinerten Netzwerk, so kämen wir niemals auf die Idee, dieses Nest selbst würde auf einmal das Bedürfnis bekommen, Eier zu legen. Aber genau das wird gesagt, wenn man annimmt, die künstliche Intelligenz werde irgendwann menschliche Bedürfnisse ausbilden.

Wer diese Bedenken ernst nimmt, muss für die Möglichkeit stimmen, dass aus der künstlichen Intelligenz, die ein menschlicher Pragmatyp ist, auf einmal selbst ein Phänotyp wird.

Keine Ahnung, wie das gehen soll. Aber eben, wer versteht schon, wie völlig Neues passiert? Sofern es wirklich neu ist oder aus Voraussetzungen entsteht, die wir nicht sehen.