Im neusten «Alien» von Ridley Scott ist zu Beginn der David Michelangelos zu sehen. Die Figur dient einer synthetischen Intelligenz als Leitbild, die so heisst wie sie und sich ihrer Freiheit zunehmend bewusst wird.

Michelangelos David eignet sich als Ikone schlechthin für die Selbstbestimmung des modernen Ichs. Der Aufmarsch an Touristen vor der Akademie in Florenz ist überwältigend. In Bildung und Wirtschaft wird das Ideal eines unbedingten, beinah absoluten Selbst gepflegt, das zu allem Möglichen fähig sein soll. Die Lässigkeit des David, seine Eleganz, aber auch sein verschlagenes, höchst ökonomisches Vorgehen dienen Management und Marketing genauso als Leitbild wie dem Androiden bei Scott.

Dieses Ideal erscheint derart abgehoben, dass ich mich gedrängt fühle, es auszugleichen. Denn die Statue selbst rät zu mehr Besonnenheit. Wenn man glaubt, ihre Lässigkeit als triumphale Souveränität zum Vorbild nehmen zu können, gilt zu bedenken, dass der Augenblick, den die Figur anzeigt, unmittelbar vor der Prüfung liegt. Die Bestätigung für Triumph und Selbstwert steht noch aus. Während David die Schleuder wie ein Badetuch über die Schulter gelegt hat, hält er in der hohlen rechten Hand den Stein verborgen. Die Muskeln sind gespannt, und die Lässigkeit soll den Gegner über diese Bereitschaft hinwegtäuschen. In diesem Augenblick hat dieser David keine Garantie für seinen Erfolg, auch wenn er laut Schrift sich grossmäulig benimmt.

Gerne wird der Künstler Michelangelo selbst als Beispiel moderner Souveränität gehandelt, die kraft ihrer selbst über sich hinauswächst. Da bietet sich zum Ausgleich ein Vorbehalt an, der eigentlich gut bekannt ist. Denn Michelangelo lebte wie alle Kunstschaffenden in Abhängigkeit von Mäzenen wie etwa den Medicis, einer Tuchhändlerfamilie, die den Umstand nutzte, dass die Katholische Kirche in Ansehen und politischem Einfluss heruntergewirtschaftet war. Mitten im Schisma unterstützte sie einen ehemaligen Piraten als Papstkandidat. Dieser wurde prompt gewählt und ernannte zum Dank die Medici zu Bankiers seines Vertrauens. So bekamen sie über Nacht die Fäden der damaligen Finanzwelt in die Hände gespielt. Und indem sie die Künste förderten, dämpften sie Missgunst im Volk und pflegten ihren Ruf für weitere Geschäfte.

Einerlei, wie die Geschichte verläuft, der David des Michelangelo scheidet als Ikone für moderne Souveränität aus. Denn Abhängigkeit und günstiger Zufall sind natürlicherweise gegeben.

Genauso bei uns.

Weder Management noch Marketing täuschen darüber hinweg. In ihrem Anliegen missachten sie natürliche Bedingtheiten, grossmäulig wie sie sind.

Wie David vor Goliath, der nie die Gewähr dafür hat, ob seine Sache glimpflich ausgehen wird.