In meinem Bücherregal sind kaum Autorinnen zu finden. Das muss ich zu meiner Scham bekennen. Aber Ingeborg Bachmann ist da! Viel habe ich von ihr gelesen, wenig verstanden. Sie schrieb von der «gestundeten Zeit». Das kam mir einfach nur poetisch vor. Etwas, das bewusst verkehrt in Worte gefasst ist, damit man irritiert nachdenkt.
Erst als mir eine Bekannte von ihrem ehemaligen Gatten erzählte, ging mir ein Licht auf. Der wollte nämlich irgendwann klipp und klar von ihr wissen, ob sie ihn liebe. So gefragt hätte sie durchaus einen Anflug von Ja gespürt. Wie sie aber zu zweit am leeren Küchentisch sassen, an den er sie bestellt hatte, um die Sache ein für alle Mal zu klären, rutschte das Ja fort aus ihrem Herzen und machte einem Nein Platz, das umso klipper und klarer sich einstellte.
Der Mann nahm ihr Nein für immer, der arme Teufel. Nicht auszudenken, er hätte ihr Ja für mmer genommen.
Meine Bekannte fühlte sich haftbar gemacht. Wie festgenagelt, sagte sie.
Da verstand ich, was Ingeborg Bachmann meinte: Es war die festgenagelte Zeit. Etwas, das von Natur aus fliesst, übergangslos, unbestimmt, Dünen, Wind und Haare im Wind, Lupinen im Nebel, und freilich das Wasser, wird fixiert! Kanalisiert! Mit Schwellen verbaut! Um den Sturz zu dämpfen wie bei Bächen. Und von Wehren mit Turbinen durchsetzt!
Der Mann namens Hans jagt, spurt, marschiert, steigt, fällt ihr ins Wort, befiehlt, stundet. Sie brennt ärmlich, wird sichtbar, schweigt, versinkt. Er werkelt mit festen, unruhigen Hände, kauft und lässt sich kaufen, gibt und fordert Schwüre. Für sie gibt es keine Fragen, sie geht mit nassen Füssen, kennt weder Vorsicht noch Absicht, sie erzählt vom weissen Wal, vom Blut der Hündin.
Sie selbst ist Zeit, ist sterblich.
So die Poesie Ingeborg Bachmanns. Eine Sache der Geschlechter, möchte man meinen. Vielleicht zu Zeiten klar geteilter Rollen. Aber es gibt Frauen, die ihres Partners Liebe für bewiesen halten, wenn er eifersüchtig ist. Wer Beweise für Liebe braucht, dem lässt sich leicht Sand in die Augen streuen. Man gibt ihm, was er will und geht zur Tagesordnung über. Umgekehrt finden Männer genug ihr Heil in Unschärfe und Wortlosigkeit.
In Sachen Liebe geht es um genau das: Wie die Einen lieben, die erwiesene Klarheit für alls Mögliche benötigen, wie die andern, die sich ihr wo immer nötig entziehen?
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