Verschwörungstheorien bieten einen handlichen Durchblick. Aber mir scheint, sie sagen mehr über ihre Vertreter aus als über das Ereignis, das sie zu durchleuchten vorgeben.

Ein paar Grundsätze machen diese Theorien klar und einfach: Dumme Zufälle gibt es nicht. Und: Wer Nutzen aus einem Vorfall zieht, hat ihn geplant und ausführen lassen. Als Drittes kommt dazu, dass die Urheber einer Verschwörung übermenschliche Züge aufweisen: Sie verfügen über eine durchtrainierte Souveränität, die keine Mittel scheut und rund um die Uhr am Werk ist. Auch gerät niemand auch nur für einen Augenblick in Zweifel über seine Mission.

Bei allen Sicherheiten bleibt ein Risiko wie ein Fallbeil. Aber vielleicht haben Verschwörer das Messer schon am Hals. Was ich einleuchtend finde. Und es vermindert ihre märchenhafte Souveränität. Dass sie schlecht schlafen, lässt sich ausdenken.

Mit Verschwörungstheorien wird die Welt jedoch sehr einfach. Daher haben sie etwas Ökonomisches an sich.

Was im Übrigen auch für Wahrheiten gilt.

Sie vereinfachen die Situation. Gewisse Dinge bleiben ausgeblendet, damit die Wahrheit Sinn bekommt. Damit sie Nutzen abwirft.

Neuerdings hört man von der geheimen Zielsetzung, dass die Flüchtlingsströme aus Afrika und Nahost ganz Europa mit Ghettos durchsetzen sollen. Ein solches Vielvölkergebräu sei eben leichter unter Kontrolle zu halten, weil sich darin kaum politische Mehrheiten bilden. Diese Verschwörung berechnet Fremdenfeindlichkeit als feste Tatsache mit ein.

Verschwörungen sind uns lieber als das Chaos des Lebens. So bleibt die Überlegenheit des Menschen über die Natur sichergestellt. Ihre allfällige Bösartigkeit spielt dabei nur eine zweite Rolle. Deshalb sprechen wir auf Ordnungen an, die uns glauben machen, die Dinge seien klar geregelt. Dabei verbergen sie oft nur chaotische Verhältnisse: Hinter den Kulissen nationalsozialistischer Gleichschaltung herrschte ein Kuddelmuddel an Zufällen und peinlichen Glückstreffern.

Bei der Fahnenabgabe des Regimentes standen unsere Schützenpanzer aufgereiht. Das Volk war beeindruckt. Seine Begeisterung wäre Entsetzen gewichen, hätte man in eines der Gefährte Einblick nehmen können: Zerquetschte Bierdosen, Socken, Verpackungsmüll, Pornohefte. Es gäbe gewiss bessere Beispiele, die meinen leidenschaftlichen Glauben an das Chaotische im Leben  untermauern.

Die Dinge kochen eben zu Sinnordnungen zusammen.

Und verdampfen innert Kürze.