Schauplatz Gaststätte: Eine Familie hantiert mit Speisekarten. Das Mädchen weiss schon, was es will.

Die Mutter hat alle Hände voll zu tun, dem Buben ein Gericht schmackhaft zu machen. Der Vater putzt die Brille, wägt mit ernster Miene ein Menu gegen das andere ab. Also spricht die Kleine mit sich selbst. Und sie streckt den Arm in die Höhe, wobei sie sich etwas vom Stuhl erhebt und ruft:

«Ich möchte einen Busshard sehen, wie er sich auf die Erde stürzt!»

Dabei krallt sie die Finger und lässt den Arm fallen und die gekrallte Hand auf dem Tisch landen, wie der Raubvogel, den sie vor sich sieht. Und sie betont die Landung mit diesen Worten derart, dass ihre Lust den Unterkiefer leicht nach vorne schiebt. Als würde sie den Drang des Tieres empfinden, seine Beute zu reissen. Und sie schüttelt die Hand auf dem Tisch, das Opfer im Genick gepackt.

Schauplatzwechsel Flughafen, Kopfende der Landebahn: Die Maschinen fliegen tief, ziehen nahe über dich hinweg. Ein Vater hält die Kamera bereit. Sein behinderter Sohn zeigt wild auf ein Flugzeug, das sich vom Horizont her nähert. Sobald der Schwerpunkt der Maschine über uns zu liegen kommt, lässt der Bub einen gellenden Schrei ab. Und er zuckt und zappelt erneut, wie die Maschine aufsetzt, als fiele ein Schuss. Und Rauch steigt auf von den Rädern.

Weltlust und ihre Höhepunkte.

Was der Junge unverstellt preisgibt, ist genau das, was ich empfinde, aber nicht zeige. Es kommt mir vor, als sähe ich meine Gefühle wie ein Puppenspiel vor mir aufgeführt.

Die Landung wird sofort ab Film geschaut, während die Maschine noch ausrollt. Man hört das Schreien, und der Bub gibt nun gedämpftere Laute von sich. Und auch der Vater ballt die Faust, als im kleinen Bildschirm das Flugzeug über uns liegt und sein Gekreisch in der Tonlage zu sinken beginnt, wie eingangs des Liedes „Back in the USSR“ von den Beatles.

Als hätten sie Höhepunkte gejagt und eingefangen.

Was mich betrifft, so habe ich die beiden heimlich abgelichtet. Ich fotografierte sie, wie sie filmten und den erhofften Augenblick genossen und ab Film wieder und wieder durchlebten. Eigentlich beschämend, meine verstohlene Weltlust. Dabei regt sie sich in mir wie der behinderte Junge.

Also unbehindert.

Nämlich sprühend, zappelnd und kreischend vor Freude. Oder wie das Mädchen mit dem Busshard im Sturzflug. Nämlich mit vorgeschobenem Unterkiefer im richtigen Moment.

Aber ich zeige es nicht. Warum eigentlich?