Über das trickreiche Appledesign kann man Einiges nachlesen. Wenn man aber die Entwicklung in den Blick nimmt, die das Produktedesign überhaupt im Verlaufe von Jahrhunderten durchläuft, erscheint es auch nur als Nuance, als Welle unter vielen. Dennoch könnte seine soziale Aufgabe weiterreichen, als nur zum Kauf anzuregen. Viel weiter, will ich meinen.

Es gilt als unternehmerischer Geniestreich, wenn man aus anderen Branchen abkupfert. Bei Apple wären dies das Autodesign, etwa der Wechsel von Fords Blechliesel zum Chevi 1923 von General Motors. Dann die Übertragung der Modestrategie auf die Elektronikbranche. Und im Falle von iMac 1998 und iBook 1999 würde es mich nicht wundern, wenn bei der Psychologie für Kinderspielzeug Anleihen genommen wurden. Dort soll das Design ja bewirken, dass die Kinder Lust empfinden, den Gegenstand einfach nur anzufassen.

In der Wissenschaft sind solche Geniestreiche gang und gäbe. In den Künsten ohnehin. Sie verursachen nicht viel Aufsehen. Und wenn man diese Übertragungen im Zusammenhang einer weltweiten Evolution betrachtet, verlieren sie ihren Glanz als Bravurstück.

Der natürliche Handelsbogen von Wachstum, Reife, Sättigung und Rückgang wird bei Produkten von Apple mit allen Tricks vermieden. Sogar der üble Kniff mit dem eingeschweissten Akku tut dem Ruf keinen Abbruch. Apple bieten dafür Ergänzungen zum Selbst, wie in einem Film über Steve Jobs gesagt wird. Mehr noch, sie stimmen Menschen versöhnlich mit der Technik, die immer feiner, subtiler, in ihrer Mechanik immer esoterischer wird.

Dieses Bemühen um Versöhnung hat Tradition. So taucht das Apple-Design schon früher auf. Zum Beispiel beim Bauhaus, als man die Ecken von Balkonen und Türrahmen abrundete. Dies erscheint mir als Kompromiss zwischen Berechnung und Gefühl. Solche Kompromisse bezeichnen vielleicht Übergänge oder Haltepunkte in der Entwicklung zwischen Mensch und Technik. Im 19. Jahrhundert kleideten sie Telefonapparate und ganze Bahnhöfe gotisch ein. Die Passanten sollten sich heimisch fühlen und die Technik annehmen.

Wer diese Kompromisse eingeht, macht Entwicklungen möglich. Davon soll die gesamte Menschheit nutzniessen.

Apple sehe ich daher nicht nur als Fürsorge der Technikbranche für den natürlichen Gefühlsmenschen. Die Mittel dafür sind offensichtlich beliebig. Denn Apple erscheint mir überdies als eine erste Form hauchzarter Erotik zwischen Mensch und Technik.

Die Technik wird dem natürlichen Gefühlsmenschen anschmiegsam gemacht. Durch Design.

Oder durch Geschichte. Man hatte zu Zeiten stampfender Industrialisierung die kalte Rationalität im Gewand cäsarischer Grösse mit Säulengängen, Brunnenfiguren und Lorbeerkränzen in vergoldetem Gips dem Volk schmackhaft gemacht. Heute läuft dies über ein Design, das zwar nüchtern wirkt, sich aber dennoch wunderbar anschmiegt. Das gilt auch für Produkte anderer Marken: Kameras, Konsolen, Fernbedienungen, Scanners, Taschenrechner, externe Festplatten. Sie sind gefällig, handfreundlich, entgegenkommend.

Im englischen Swanscombe fanden sie einen Faustkeil, der Einkerbungen für sämtliche Fingerspitzen aufwies sowie eine Grube für den Daumenballen. Ein erstes Apple-Design aus der Altsteinzeit. Einer heutigen Fernbedienung nicht unähnlich.

Die Gefälligkeit, die von Technik ausgeht, soll eben nicht nur körperlich wirken, sondern auch mental und ästhetisch. Oder eben erotisch.

Auch eine Mühle am Bach ist pure Mechanik. Es gibt keinen Grund, sie romantisch zu verklären, während man heutige Gerätschaften verwünscht. Es geht um die gleiche Berechnung. Manche finden sie kalt.

Dabei ist sie einfach natürlich.

In neugestalteten Universitätsbibliotheken gibt es Ruhenischen, eigentliche Studier-Kokons in Grün, mit Hecken vergleichbar, die als abgerundete Gevierte an Apple-Tablets erinnern, die aufrechtstehen. Sie passen zur Waabenstadt Universität.

Eine Wissensfarm, mit Pflanzschulen und Treibhäusern.

Der kanadische Filmemacher David Cronenberg gestaltet leidenschaftlich die Verschmelzung des Menschen mit Technologien überhaupt. Meine These von der Erotik zwischen Mensch und Technik ist massgeblich von ihm beeinflusst. Leute dieser Neigung sind für technische Evolution rasch gewonnen. Die Technophoben jedoch, die es immer unter Menschen gibt, muss man verführen.

Im Winterthurer Technorama der Achtziger-Jahre waren Tische und Bildschirme eckig und verwinkelt. Genau wie das damalige Autodesign, genau wie das Design erster Personalrechner. Im heutigen Technorama trifft man auf Kreise, Kugeln, Bälle, Spiralen, Pendelbewegungen. Mandalas, Rotationen überall. Ein wahrer Rummelplatz. Man will die Dinge sehen, sie anfassen, sie betätigen. Gründe für diese manipulative Bekehrung sind offensichtlich, denn Technophobe nutzen ihr Recht und gehen politisch vor.

Seit Langem aber habe ich an einem anderen Grund Geschmack gefunden, der keineswegs eine Wahrheit darstellt, sondern eine These, eine Deutung der Dinge, die zu teilen davon abhängt, ob man dem Leben Zufälligkeit oder Absicht und Zielsetzung unterstellt. Angenommen Letzteres sei der Fall, und dafür muss man nicht zwingend eine Schöpfung voraussetzen, dann stehen Steve Jobs und alle Geniestreicher dieser Branche im Dienst des Lebens, indem sie mit smart designten Technoprodukten und Zubehör dafür sorgen, dass die Bevölkerung bei zunehmender Dichte in planetarischer Begrenztheit sich friedfertig in Zellen einstülpt und dort verbleibt.

Eine wirklich soziale Funktion wäre das. Diese Vermutung hat die Qualität eines Glaubens. Aber was solls! Für das Leben als Gesamterscheinung gibt es nicht einmal eine Definition, die wissenschaftlich unstrittig wäre.

Und wenn man hört, dass Quantenphysiker von Interwelten reden und längst beim Buddhismus und bei alten Mythen angekommen sind, wirken meine Anmerkungen zum Apple-Design doch nahezu beschaulich.