Sprayers haben recht. Wie das?
Ihr Können ist beachtlich. Auf Zeit erstellt, erfordert ihre Übung Sportlichkeit und Virtuosität. Sie entwerfen Formen, fertigen Schablonen an. Dazu kommen Grenzerfahrung, Lebenssinn, Gemeinschaftserleben. All dies spricht für das Sprayen.
Aber nichts davon rechtfertigt, dass fremdes Privateigentum verunstaltet wird. Bei allem Verständnis bliebt dies ein Stein des Anstosses. Sprayers sollen Leinwand benutzen und ausstellen.
Aber wie langweilig. Wer nur Botschaften hinschmiert, kommt für eine Rechtfertigung von Sprayern ohnehin nicht in Frage. Doch gerade diese Typen sind mit zu berücksichtigen. Wer nur kunstfertige Graffiteure anerkennt und sonstige Sprayers aus der Gesellschaft gestrichen sehen möchte, die für Sekunden durch die Nacht huschen, leidet wohl an faschistischen Allüren.
Gerade indem sie Privateigentum beschmutzen, haben Sprayers recht. Aber es braucht keinen Sozialismus und keine Anarchie, um diese Sichtweise nachzuvollziehen. Der Schlüssel liegt darin, wie Privateigentum zustande kommt.
Denn ‘privat’ bedeutet ‘geraubt’.
Gewisse Dinge verkennen wir, weil es Archaismen sind, die unerkannt fortleben. Wer etwas für sich allein beansprucht, verhält sich anmassend gegenüber der Gruppe. So wurde das seit Urzeiten empfunden. Denn das meiste, wenn nicht alles, was uns lebensfähig macht, verdanken wir anderen Menschen. Und wie erhebt man Anspruch auf einen Besitz für sich allein? Diese Geschichte beginnt bei Grund und Boden. Die ersten Besiedler eines Stück Bodens begruben ihre Angehörigen darin. Und reicherten ihn an mit ihrem Dung, der von Früchten dieses Bodens stammte und von Tieren, die sich von ihm ernährten.
Sie sagten: Das Land gehört mir. Mein Fleisch und Blut elterlicherseits ist darin verwest, und es ist durch mich hindurchgegangen. Privater geht’s wohl nicht. Diese Einsicht verdankt sich Michel Serres.
Mit anderen Worten: Etwas wird zu Privatbesitz, wenn man es beschmutzt.
Spucke in die Suppe, die du für dich allein haben möchtest! Mit den Sudel-Sprayern schliesst sich damit ein Kreis. Dennoch verhält es sich nicht ganz so bei ihnen. Sie besudeln zwar Wände.
Aber sie erheben keinen Besitzanspruch.
Darum haben sie recht.
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