Gute Politik und guter Unterricht haben vieles gemeinsam. Aber was guter Unterricht sein soll, wird von Generation zu Generation anders beantwortet. Was man heute für dringend geboten hält, wird irgendwann als Laune von gestern abgetan. Gute Politik kann nicht so wechselhaft sein. Vielleicht gibt es Antworten auf diese Frage, die Moden überstehen.
Gute Unterricht oder gute Politik als Kunst des Zusammenlebens: Gerne erzähle ich dazu die Geschichte von Andrej Rubliov, wie Tarkowsky sie schildert:
Der begnadete Ikonenmaler bekam vom Fürsten den Auftrag, das Jüngste Gericht grossflächig auszuarbeiten. Aber er erlitt eine kreative Blockade, obwohl ihm klar war, dass er selbst als Mönch bei Untätigkeit ins Rad geflochten würde. Der Grund seiner Pein lag im politischen Leitgedanken des Fürsten: Den einfachen Leuten sollte beim Anblick des Jüngsten Gerichts Angst eingejagt werden, damit sie sich fügen. Rubilov jedoch sah sich ausserstande, für diese Politik seine Kunst aufzubieten, die umso drastischer die gewünschte Wirkung erzielt, je reifer ihr Handwerk ist.
Schlechte Politik setzt Ängste strategisch ein, genau wie schlechter Unterricht. Ein Beispiel aus der Gegenwart: Wahabiten halten an der Ganzverschleierung fest, weil sie die vorsätzliche Vernichtung ihrer Kultur befürchten. Aus dem gleichen Grund verbieten wir wohl sehr bald Burka und Nikab.
Dazwischen besteht kein Unterschied. Also eine Gemeinsamkeit, die mir denkwürdig scheint: Die Angst vor dem Untergang. Unter Menschen wie unter Völkern herrschte weniger Anspannung, würde man sich weigern, seine Fähigkeiten einer Politik anzudienen, die Angst verbreitet.
Denn sie tut das um ihrer selbst willen. Eben zum Selbsterhalt. Folglich aus Angst. Hinter jeder Macht, besonders hinter ihrem Missbrauch steckt Angst. Daher gilt für Politiker wie für die Lehrkraft:
Sei wie Rubilov, jage niemandem Angst ein!
Und weigere dich, wenn nötig durch Untätigkeit. Ein ziviler Ungehorsam mit Tradition.
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