Und ewig verwahrlost die Jugend.

Täglich brausten wir an einem alten Haus vorbei, eine Gruppe Heranwachsender auf Mofas und Fahrrädern, Mädchen und Jungs wie überall. Auf dem Rückweg hielten wir dort Rast, da es steil bergan ging, Schnellberg genannt, ein Flur halt, der alte Erfahrung aufleben lässt, etwa von Fuhrwerken, die hier der Abschüssigkeit wegen in Schwierigkeit gerieten.

Das Haus sei verlassen, hiess es. So stiegen wir ein und fanden alles an seinem Platz, Möbel, Geschirr, sogar Kleider. Belustigt, erregt durchkämmten wir die Räume, stiegen in den Keller, wo es ein Regal gab voller Einmachgläser mit ergrautem Inhalt. Einer von uns nahm ein Glas vom Brett, wog es in der Hand, und mit Blick auf die Steinwand war allen klar, worum es ging. Das Glas flog, zerplatzte dumpf splitternd, die Masse lief an der Mauer herunter.

Der Damm war gebrochen, wir folgten seinem Beispiel und zogen durch das Haus und verwüsteten alles. Auch die Mädchen legten unbeirrt Hand an. Ich sehe mich, wie ich einzelne Teller aus dem Handgelenk heraus in den Spiegel über dem Ehebett schleuderte. Ein rostiges Gewicht aus der Scheune wurde unter Zeugenschaft aller durch das geschlossene Küchenfenster befördert. Sogar Senftuben pressten wir aus, prosteten uns derart mit Trinkgläsern zu, dass sie zersprangen.

Was für eine Schande! Die Empörung fällt leicht, ich meine allzu leicht. Der Aufschrei von damals kann ich mir denken. Das Übel aller Welt wird an diese Untat geheftet. Aber so einfach ist die Sache nicht.

Wenigstens amüsieren wir uns an Kleinkindern, wenn sie aufgetürmte Klötze kreischend zum Einsturz bringen. Das gleiche Bild ergibt ein Blick auf die Menschheitsgeschichte:

Mühselig geschaffene und gepflegte Werte fallen regelmässiger Vernichtung anheim.

Und: Wertschöpfung gedeiht ganz besonders in Wertvernichtung.

Aber die jugendliche Schamlosigkeit gibt zu denken. Verwöhnte Nichtsnutze berauschen sich an einer seltenen Erfahrung. Heute sind sie gestandene Berufstätige, die Kinder im Schulalter grossziehen.

In Sachen Werterhalt ist Folgendes anzumerken: Aus dem zerlegten Nachttisch griff ich einen Rosenkranz und ein Buch, eine ‘Seufzerapotheke’, mit fleckigen und von Holzwürmern porös gefressenen Seiten. Das Buch versammelt Gedichte und Bibelstellen, sortiert nach Lebenslagen: Seufzer für Schwangere, für Waisen. Es gibt Trost für Todesfurcht, in Schwermut und Seelenpein, Anweisungen für Einfältige, Grundreglen gegen allzugrosse Gewissensangst, Gebete um selige und gute Auferziehung der Kinder.

Das Buch besitze ich heute noch.