Ausserhalb Oerlikon, Fussgängerampel: Eine ausländische Familie wartet Grün ab, ich stosse dazu. Es sind Tamilen, Inder oder Bangladeshi. In gut abschätzbarer Ferne zeigt sich etwas Verkehr, also setzen Mutter und Kinder noch bei Rot über die Strasse. Zum Ärger des Vaters.
Sogleich verstehe ich mich als Grund seiner Empörung, denn als Einheimischer, der ich höchstwahrscheinlich bin, könnte ich in diesem Verhalten eine schlechte Meinung bezüglich Ausländer bestätigt finden.
So verhindere ich diese Peinlichkeit als Gutmensch, der ich gerne wäre, indem ich der Familie nachsetze. Auch in ihrem Fehlverhalten sollen sie sich als sinnvoll angepasst wissen. Denn wer wartet schon einen Verkehr ab, der aus sicherer Distanz herangondelt.
Dennoch wirft der Vater mir einen bitteren Blick zu. Habe ich ihn nicht vor einer Blamage bewahrt? Offensichtlich nicht. Zwar ist die Vorbildfunktion für Kinder zu beachten. In Städten allerdings finden sich für alle möglichen Verhaltensweisen Vorbilder zuhauf. Und der Stein seines Anstosses könnte umgekehrt darin liegen, dass die Unsitten, die hierzulande herrschen, etwa bei Rot die Strasse vorzeitig zu überqueren, Frau und Kind, so das Empfinden des Patris Familiae, allmählich verrohen lassen.
Umso entzückter war ich, als ich später im Zentrum Oerlikons erlebte, wie die Leute völlig frei die Strassen kreuzten. Die Natürlichkeit, in der man sich völlig durchmischt aneinander vorbeibewegte, Kinder wie Erwachsene, Autos und Trams, auch Hunde und Greise mit Gehhilfen, kam mir vor wie ein Paradebeispiel unaufgeregter Selbstorganisation.
Fast so wie in Kalkutta.
Oder Bombay.
Oder Wumbay?
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