Einst zog auch ich durch das Rotlicht Amsterdams. Vor Jaaaaahren, versteht sich, als das 20. Jahrhundert unbekümmert ausklang. Dabei machte ich eine denkwürdige Erfahrung. In Seidenhemden und spermapolierten Halbschuhen liessen wir uns im Getümmel bei den Grachten ein weiteres Ticket andrehen. So gelangten wir voller Erwartung prompt in die gleiche schäbige Show, die wir soeben verlassen hatten. Diese Peinlichkeit geriet aber dank des Ballermann-Effekts zu einer explosiven Feier. Mit der schlagenden Begründung, man würde bei Pornos ja auch gewisse Szenen zurückspulen, liessen wir uns erneut in die Polster nieder.

Gegen Ende trat die Kleine wieder auf, die einen goldenen Dildo zückte und jemanden auf die Bühne bat, auf dass er sie damit bediene. Sie war derart ausgeleuchtet in ihrer blanken Natur, dass ich keine Sekunde zögerte. Kühn vor Trunkenheit stolperte ich über Sitzreihen. Das Gelächter meiner Kollegen brandete mit mir nach vorn. In Erwartung einer herzrasenden Gegenwart kletterte ich zu der Tänzerin hoch, die für mich völlig verklärt war in Lust und Licht, ich dachte, ich träte in die Keimzelle des Lebens ein. So sprang ich auf die Bühne und stand vor ihr.

Es kam anders.

Sie bedankte sich, dass ich mitmachte. Ihre Stimme bebte. Sie hatte Angst. Ein Blick auf die Leuchten, die unter ihr im Boden unter Plexiglas versenkt waren, zeigte mir, dass dieses Lokal wenig Sorgfalt kannte, sehr wohl auch gegenüber seinen Beschäftigten nicht: Ein Haufen Kabel war hineingestopft und irgendein Gehölz mit Schraubzwinge behelfsmässig verklammert. Die Tänzerin bat mich, nichts weiter zu tun, als den Dildo zu halten. Ich griff danach und fühlte klebriges Gleitmittel, während die Frau, die gewiss keine Lust empfand, in Position ging und sich meinen möglichen Grobheiten überliess.

Aber ich rührte mich nicht, sah aus dieser Nähe ihre Leberflecke wie den Sternenhimmel eines persönlichen Lebens, sah die Abdrücke über der Hüfte vom Gummizug ihrer privaten Unterwäsche. Und es ging mir durch den Kopf, dass irgend jemand sich um sie Sorgen machte, irgendwo, irgendwann und ihr Glück wünschte aus bitterem Herzen. Das aber war zu viel an Ernüchterung für mich.

Im Nu zerbröselte, was Glanz war an dieser Szenerie und lusttriefende Verklärung. Ich kam nicht damit klar, dass Schein und Wirklichkeit derart auseinanderklafften. Oder derart eng zusammengehörten.

Beklatscht taumelte ich dem Ausgang zu, während die Kollegen mir auf die Schulter klopften und ins Gesicht griffen mit ihren verschwitzten Händen. Draussen schüttete ich Gin in mich hinein.

Ich hätte kotzen mögen. Aber es ging nicht.