Beachtlich, wie wir uns Mühe geben, dass wir vor der Neugierde anderer geschützt sind. Ihre Unart gilt für kindisch. Dabei übersehen wir, dass Neugierde eine natürliche Aufgabe hat.

Ich spreche nicht vom Wissensdurst der menschlichen Gattung. Diese Art der Neugierde ist anerkannt. Lästig aber fällt die Schnüffelei in privaten Dingen. Die bürgerlichen Burgen sind geborgen hinter Hecken, die Bürger darin hinter Rollos, Paravents und Sonnenbrillen. Es geht um Ruf und Ansehen und die Ehre ganzer Familien und deren Ahnen. Diese Nachäfferei des Adels, der politisch kastriert aus Schatullen lebt.

Geheimnisse und ihre mühselige Vertuschung: Versiegeltes, Codiertes, Verschwiegenes. Auf dass Gras darüber wachse, immer wieder.

Schadenfreude wäre das Geringste, was zu befürchten ist. Lange verstand ich dieses abartige Vergnügen nicht. Endlich ging mir auf, dass die Leute, wenn sie dem Unglück anderer beiwohnen, freudige Entlastung erfahren dank der Gewissheit, dass sie doch nicht die einzigen sind, denen Missgeschicke passieren.

Und genau dies erklärt die natürliche Aufgabe von Neugierde: Wir alle lassen keine Möglichkeit aus, damit wir in Erfahrung bringen, ob wir in bestimmten Belangen eine Ausnahme sind oder die Regel erfüllen.

Daher gibt mir die Person, die sich an meiner misslichen Lage weidet, ebenfalls den Beleg dafür, dass ich der Regel entspreche. So müssten wir ihr sogar dankbar sein.

Denn in der Regel möchten wir die Regel erfüllen. Auch wenn es Sonderlinge gibt, die sich erst unter Menschen aufgehoben fühlen, wenn sie von ihnen abweichen.

Bei Neugier sind wir also gezwungen zur Wahrheit, denn nur sie, weder Schminke noch Gemauschel verschafft uns die nötige Klarheit auf die Frage nach Regel oder Ausnahme, die sich doch sehr dringend stellt.

Deshalb blicken wir andern in die Karten. Oder hinter die Kulissen.

Stecken unsere Nase in ihre Schmutzwäsche.

In ihren Quark.