In den letzten Wochen kam es vor, dass ich in sommerlichen Gaststätten neben Behinderten zu sitzen kam.

In einem Fall sassen Gehörlose beisammen, die mittels lebhaften Gebärden debattierten. Von Behinderung war nichts zu spüren. Ihre Gesten fesselten mich als ein Ausdruck des Lebens, das flinke Alphabet der Hände, das tonlose Spiel der Zungen.

Ebenso faszinierten mich die Laute, die ein anderes Mal geistig Behinderte von sich gaben. Sie führten wohl kein Gespräch, wurden aber in der Gruppe fortlaufend dazu angeregt. Es mag anrüchig klingen, aber ich sah mich an Gänse erinnert, die losschnattern, als waberte eine Welle durch sie hindurch. Der Ton klang ebenso rein und ausgeschöpft in seinem natürlichen Vermögen, auch ungetrübt durch Scham, Umsicht oder Berechnung.

Wer diesen Vergleich verwerflich findet, sollte sich der Geringschätzung klarwerden, die er gegenüber Tieren hegt. Nichts hindert uns an der Sichtweise, dass Tiere durch ihre Verwandtschaft zum Menschen, also auch zu Behinderten, vielmehr aufgewertet sind, sofern man unbedingt an einer Wertehierarchie festhalten möchte, die zwischen uns allen bestehen soll.

Die Überzeugung einer solchen Hierarchie beherrscht noch heute die Begegnung unter Menschen. Da ich länger sass als üblich, erhärtete sich der Eindruck, dass manche Gäste jede Möglichkeit nutzten, um sich von den Behinderten wegzusetzen.

Man beansprucht ein Recht darauf, die eng bemessene Zeit an sommerlicher Erholung unbelastet auszuschöpfen. Schliesslich ist es keine alltägliche Sache, Behinderten so nah zu kommen. Dieses Unvermögen lässt sich leicht verachten. Zu bedenken ist, dass wir alle von Formen der Behinderung verschont bleiben, die in geschlossenen Abteilungen Pflege erhalten. So las ich einst über ein Bündel von Mensch, das sich andauernd mit den Füssen selbst befriedigte.

Niemand sollte sich auf seine Gewohnheit etwas einbilden.

Vielleicht ist es mehr als Feigheit, was die Leute Behinderte meiden lässt. Immerhin halten sie uns einen Spiegel vor. Vielleicht sehen sich einige in diesem Moment zur Bilanz genötigt, was sie aus dem Sonderrecht gemacht haben, das ihnen unverdient zugekommen ist und schlicht darin besteht, vor Behinderung verschont geblieben zu sein.

Und das Eine zieht Weiteres nach sich: Momente des Scheiterns, verpasste Chancen, Reue, verpuffter Ehrgeiz und eine hartnäckige, aber kleinlaute Sehnsucht nach einer Erfüllung, die schon lange hätte eintreten sollen.

Die Vorstellung eines gelungenen Lebens, das Konzept eines modernen Ideal-Ichs kann man wohl genauso gut als eine Behinderung verstehen.