Auf Campingplätzen ist man der Natur kaum näher als sonst wo, trotz Bäumen, Stränden und Hecken. Im Gegenteil. In Städten jedenfalls ist mehr Natur zu haben, vorausgesetzt, dass mit Natur Wildwuchs gemeint ist, sprich Freiraum.

Die Abstellplätze zum Campieren sind in Reih und Glied geordnet, gesäumt von Abfalleimern in hoher Dichte, die niemals überquellen, da sie von Arbeitskräften mit Niedriglöhnen wie Studenten oder Gastarbeitern regelmässig geleert werden. Wie in Städten fallen die gesellschaftlichen Schichten ins Auge, die auch hier wohlsortiert sind: Die Zelte, die Wohnwagen, dann die mobilen Heime zweiter Kategorie mit einem Vorzelt als Küche sowie erster Kategorie ohne Zelt und geräumiger und versehen mit Dachziegeln aus Plastik in einem Guss.

Die Sortierung erinnert an Gleichschaltung: Strasse, dann geparktes Auto, dann Zelt oder Wohnwagen, so die Vorschrift. Davon ist nicht abzuweichen.

Auch der Zutritt von Gästen unterliegt strikten Regeln. Verwarnt wird oder rasch gebüsst, wer unangemeldet über Nacht bleibt. Wassergymnastik und Babydisco verlaufen pünktlich und reibungslos. Es hat viele Hunde, was auf hohe Akzeptanz schliessen lässt. Aber sie bleiben, nicht etwa wie in Berlin Friedrichshain, durchwegs an der Leine.

Und die Nächte sind still. Besser gesagt stumm.

Kein Lachen, kein Streit, kein Gegröle, keine Feierlichkeit. Der soziale Druck ist höher als in Städten. Die dünnen Wände, die den Eindruck erwecken, wir befänden uns in der Natur, bieten wenig Schutz. Sie erlauben keinen Regelverstoss.

Sicherheitshalber.

Die meisten Angehörige meiner Generation pflegen Campierende zu verachten. Sie bevorzugen Orte, wo sie alleine sind und erhaben über diese Zwiebelschäler unter freiem Himmel. Doch man überlege sich, wo und wie diese Massen aus Vorstädten und hochverdichteten Agglomerationen ihrer mehrwöchigen Entspannung frönten, bliebe dies ihrem Gutdünken überlassen. Sie benähmen sich wie Heuschrecken.

Übrigens erwägen Ökonomen vermehrte Ich-Zeit für Berufstätige. Bevölkerungszuwachs und Rationalisierung verbieten Vollzeitbeschäftigung für alle. Ausserdem entspannen sich viele Menschen nur dann, wenn ihr Umfeld Schutz bietet und wohlsortiert ist. Erst dann lassen sie sich so fallen, dass ihr Leben wieder ins Lot kommt.

Das wünschen wir doch, dass wir mit Menschen zu tun haben, die erholt sind.

Und überhaupt: Sortiert sie nicht auch, die Natur?

Und nach strikten Regeln?