Wie gut, dass ich Soldat gewesen bin. Nicht dass ich nur deshalb ein Mann geworden wäre, irgendwie bin ich schon so zur Welt gekommen. Aber ich erlebte eine Gesellschaft in Rohform, unverkleidet wie eine Stahlkonsktruktion, ihre Mechanik lag zutage.
Zunächst, wie bei Mechaniken üblich: Die Druckverlagerung. Emporkömmlinge waren leicht erpressbar. Das Kader brüllte andauernd, aus Vorsorge, nicht nur, wenn es darauf ankam. Die Obersten selbst befahlen das Kader in den Morast, noch während sie ihren Jeeps entstiegen. Sie wussten um die plötzliche Inspektion von Kommandanten höchsten Ranges mit Bundesbehörden im Nacken, die ihrerseits Parlamente und Kommissionen spürten.
Heimlichkeiten, die gleichwohl vorkamen, ereigneten sich hermetisch abgeriegelt: Der morgendliche Joint wurde in verschlossener Toilettenkabine verdrückt. Dem angehenden Hauptmann fielen Beruhigungstabletten aus der Beintasche.
Dann die Sorge um das Wohlergehen der breiten Masse. Einmal hatte ich den Stab eines Batallions zu bewachen. Unter reisigbedecktem Biwak kamen Strategien zustande. So bekam ich ein Ohr für diese Mechanik, die Politik heisst. Die Herren Offiziere, die sich keinen Deut um uns einfache Soldaten zu kehren schienen, verwendeten jede zweite Überlegung darauf: Wehe der Tee wird an den falschen Ort geliefert, die Küche rückt zu spät nach, der Kiosk bleibt aus. Gerät die Masse in Bewegung, zermalmt sie dich. Wer Befehle zu befolgen hat, will versorgt sein. Es sind Bürger, keine Kriminelle.
Das sind Mechaniken einer Gesellschaft, die im Frieden lebt. Im Kriegsfall würde niemand brüllen, es sei denn aus Not. Fehler in der Mechanik wie Unterversorgung würde man erdulden statt anklagen. Heimlichkeiten träten offen zutage, niemand gäbe sich die Mühe, sie zu verbergen oder zu verzeigen.
Die Brüllaffen unter Kaderleuten der Schweizer Armee wurden 1939 ausgewechselt und durch umsichtige Befehlshaber ersetzt. Das ergibt eine verkehrte Logik: Im Frieden gilt Biss und Härte, im Kriegsfall Feingefühl.
In der Schweiz spricht man vom Ernstfall. Im angeblich zivilen Leben setzen wir auf Druckverlagerung, als wäre es kein Ernstfall.
Das Leben aber ist ein Ernstfall. Und zwar immer. Also wären Umsicht und Feingefühl gefordert.
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