Ein japanischer Professor berät Frauen bei Schwangerschaft und Geburt. Regenmantel, Hut, Hornbrille, verschmitztes Gesicht. Wie sollte er auch nur einen Hauch davon verstehen?
Irgendwann steigt er mit den Schwangeren auf einen Berg. Dort lässt er sie erleben, wie die Sonne aufgeht. Sie erfahren, wie das Gestirn seine Zeit braucht, bis es am Himmel prangt. Lange ruht es im Horizont wie der kleine Kopf im Gebärkanal. Es lässt sich nicht beschleunigen und nicht unterdrücken.
So die Geburt. So auch die Natur unter uns, die wir mit Ungeduld strafen:
Ein siebenjähriges Kind hat nach einem Jahr zu rechnen, zu schreiben und zu lesen. Es mag Jahre dauern, bis jemand Ängste verwunden hat. Jugendliche sehen sich mit der Phrase abgeurteilt, sie kapierten nicht, was geboten sei. Wie handlich lässt sich am Partner herummäkeln, dass er sich einfach nicht ändert.
Sie alle ruhen wie die Sonne im Horizont und kommen genau dann hervor, wenn es Zeit ist! Nicht später und nicht früher.
Eine Schülerin beklagte sich über Jungs ihrer Klasse, sie wollten einfach nicht richtig tun. Ich antwortete ihr, im Moment könnten sie es nicht wollen. Aber wie zu erwarten rümpfte die Kleine nur die Nase.
Meiner Nachbarin von früher, einer Bäuerin, war ein scheuer Hund zugelaufen. Im Gegensatz zu uns Kindern wusste sie, dass Warten entscheidend ist, bis das Tier Zutrauen fasste. Alexander, der Mazedonier, wollte Rachegelüsten sogleich nachgeben. Man riet ihm, er solle nur warten, irgendwann werde der Feind auf einer Bahre an seinem Zelt vorbeigetragen.
Marcel Proust schrieb, er sei an der Seite von Frauen immer ein Anderer geworden. Und so wurde ihm der wirkliche Tod gleichgültig. Wir bleiben sowieso nie die gleiche Person.
Warum warten wir nicht aufeinander?
Genauso, wie wir warten, bis die Sonne aufgegangen ist.
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