Instinkt oder Intuition, grossräumige Strategie, kurzfristige Taktik. Für das Meiste, was uns abverlangt wird, haben wir jedoch Zeit genug. Simulatoren sind Piloten und Kampftruppen vorbehalten. Der Wohlstand, wie er zur Zeit verwirklicht ist, lässt Fertigkeiten dieser Art verkümmern. Aber wir wissen nie, was die Zukunft bringt, und ob diese Art von Geschicklichkeit als natürliche Überlebensmechanismen nicht doch wieder vonnöten sein könnten.

Schon immer lagerte die Menschheit ihre Mühen in Techniken aus: Die Schrift ersetzte mühseliges Auswendiglernen, die Maschine mühselige Arbeit, der Rechner mühseliges Kopfrechnen. Schlagfertige Instinkte aber lassen sich nicht auslagern. Empfindliche Sensoren sind ein kümmerlicher Ansatz dazu. Deshalb gefällt mir der Gedanke, dass das Leben diese Fertigkeiten im Phänotypen des Gamers weiterhin pflegt und bewahrt, wenn auch in sehr subtiler Weise. Demnach wären Gamer sinnvolle Spielarten der Evolution. Wenn man die Sache so betrachtet, treten Kritiker im Leerlauf, wenn sie meinen, sie könnten diese Evolution vor Ort mittels Verboten oder sonstiger Regulierung aufhalten.

Wie aber kann man Leute wie Gamer verteidigen, die aus freien Stücken das Verhalten von Gehbehinderten annehmen? Dieser Vergleich mag erheitern, allerdings weist er auf etwas hin, das ernst zu nehmen ist: Gamer randalieren nicht, sie pöbeln nicht herum. Weder schlitzen sie Reifen auf, noch pissen sie in Hauseingänge. Sie verbleiben in ihren Zellen, den Bildschirm an, die Kopfhörer auf.

Die Einwohnerzahl steigt, die Menschen rücken zusammen. Es ist vielleicht der besonderen Weisheit des Lebens geschuldet, dass von einem bestimmten Zeitpunkt der Verdichtung an Kulturen Gamer auftreten.

Man stelle sich vor, sie würden wie früher Abenteuer suchen und sich für einen dümmlichen Krieg anheuern lassen. Reislauf und Saubannerzug liessen früher mächtig Dampf ab, man hinterliess eine Spur tiefen Leids. Es ist eine Form der Befriedung, wenn man in seiner Zelle eingestülpt verbleibt und seine Instinkte virtuell auslebt. Wie würde Tokio hochkochen, wenn die Leute allabendlich saubannernd aus ihren Kokons schlüpften.

Gamen ist eine verkannte Sozialkompetenz.

Das gilt gerade für Soziopathen, die keinen Fuss vor die Tür setzen. In der Ethnologie heisst es, wo immer sich eine Gesellschaft verdichte, käme es zu Unterdrückung. Claude Lévi-Strauss meint, sie schwitze dann Knechtschaft aus. Die Menschen erniedrigen sich gegenseitig, dem Schwächeren wird Menschlichkeit abgesprochen, sodass er nach unten versorgt werden kann. Gamer lassen es nicht dazu kommen. Sie veranlassen niemanden dazu, weil sie niemandem den Platz streitig machen.

Menschen haushalten immer einen Überschuss an Energie. Sobald die Gesellschaft chaotisch aufschäumt, erschallt der Ruf nach Diktatur. Gamer gleichen diese Situation vorweg aus.

Aber es ist nicht ihrer Weisheit geschuldet. Das Leben selbst sorgt dafür.