Wie wird man des Fremden Freund? Man weiss ja wenig voneinander.
Man gehe vor wie folgt: Zunächst werden die Unterschiede, auch wenn sie augenfällig sind, für blosse Feinheiten genommen, die an nichts Grundsätzliches rühren. So wird der Blick frei für Dinge, die unzweifelhaft gemeinsam sind.
Die Märchen erzählen sich überall gleich: Wir sehen uns aus heilem Zustand in eine Welt vertrieben, die unübersichtlich ist und uns Prüfungen auferlegt. Zwar gibt es Hilfen, aber die Rückkehr in einen heilen Zustand gestaltet sich schwierig. Menschen aller Kulturen durchleben offenbar diese Grunderfahrungen.
Darüber hinaus gibt es der Gemeinsamkeiten viele. Man begnüge sich mit ein paar Kostproben:
Überall lächeln Säuglinge gleich. Niemand lässt das Wetter unbeobachtet. Personennamen sind durchwegs bedeutsam. Sex wird nirgends dem Gutdünken überlassen, selbst Eingeborene wenden sich kichernd ab, wenn ein Paar ins Gebüsch verschwindet. Auch Eigentum wird geregelt. Man kennt Hausrechte und Gastfreundschaft. Keine Kultur verzichtet auf Traumdeutung und Wahrsagerei. Inzest ist durchwegs verboten. Niemand wird verscharrt, sondern nach Riten bestattet. Es gibt Tanz, Sport und Spiel.
Und alle machen Witze.
So lautet Murdock’s Liste anthropologischer Konstanten. Man arbeite sie ab und komme zum Schluss:
Eigentlich wissen wir sehr viel voneinander. Vielleicht zuviel.
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