Stehparty, Perlwein und Salzgebäck. Die Gesprächsthemen sind beliebig. „Es braucht Vertrauen und Liebe unter Menschen.“ Nie hätte ich gedacht, dass ich einmal diese platte Weisheit abgeben würde. Der junge Vater, mit dem ich mich unterhielt, blieb allerdings unbeirrt. Mitleidvoll lächelte er mich an und bekräftigte, er werde seinem Sohn keinen Meter weit vertrauen. Der Typ lüge bei jeder Kleinigkeit.
Ja, dachte ich. Diese Weisheit ist wirklich verkehrt, wie konnte ich so naiv sein. Unter Menschen braucht es nämlich viel eher blindes Vertrauen und bedingungslose Liebe.
Dabei wäre Kontrolle doch besser als Vertrauen. Diese Einstellung passt sinnvoll zu technischen Dingen. Bei Menschen aber gilt das Gegenteil. Wer Vertrauen bekommt, verscherzt es nicht, sofern es echt ist.
Blindheit ist das Wesen echten Vertrauens. Deshalb wird es im Vorschuss geleistet. Vertrauen, das nachträglicher Abgeltung entspringt, ist ein Schund wert.
Genau wie eine Liebe, die keine ist, wenn sie Bedingungen stellt.
Echtes Vertrauen bindet uns an die Welt ohne Angst und Gefangenschaft. Es macht sie für uns klar und einfach, wie es bei Luhmann heisst.
Richard Wagner schrieb: „Der Quell aller Lieblosigkeit ist die Furcht vor dem Ende.“
Kontrolle bedeutet Lieblosigkeit, sofern es um Menschen geht. Und hinter der Kontrolle steht die Angst vor dem Ende. Früher die Angst vor handfester Auslöschung, heute eher vor dem Scheitern, vor dem Verlust an Achtung, vor dem Ausschluss von anderen.
Die scheinbare Souveränität des Kontrolleurs verbirgt, wie eben bei diesem jungen Vater, ein angstgepeinigtes Bündel von Leben.
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