Der erste Blick ist unschuldig, auch wenn er auf Hintern oder in Ausschnitte geht. Die Überraschung lässt keine Kontrolle zu. Erst ab dem zweiten Blick dürfte von Übergriff die Rede sein.
Wenn eine Frau unverhofft ihren Pullover auszieht und Formen zeigt, wenn ihre Haare herabfallend eine tief eigene Duftnote verströmen, wäre es wider alle Natur, wenn man sich diesem Reiz verschlösse. Das hat mit Sex zu tun, mit Fortpflanzung, meinetwegen mit Triebhaftigkeit.
Die Natur will es so.
Nun kenne ich aber Blicke von einer anderen Art Schlüpfrigkeit, die mich wirklich zum Nachdenken bringen:
Ich stehe vor einer Klasse und komme allen systemisch-konstruktivistischen Vorgaben von Unterricht zum Trotz ins freie Referieren. Ein Beispiel stellt sich ein, aufgereizt durch einen Hinweis, ein Thema kommt auf, Migration, Rassismus, Homosexualität, Subkulturen, Adoption, Mobbing, was weiss ich.
Und mein Blick geht sofort und von allein und zielsicher und ohne jede Umschweife zu der Person, die mit diesem Thema zu tun hat. Auch bei eher unverfänglichen Themen wie Pferdezucht, Spitzensport oder Paartanz verhält es sich gleich. Das dürfte keinerlei Fortpflanzung geschuldet sein. Aber diese Art von Blick habe ich genau so wenig unter Kontrolle. Sollte die Natur auch diesen Mechanismus wollen, zu welchem Zweck könnte das sein?
Dass wir vernetzt sind? Eben auch kulturell über gewohnheitsmässige Abschottung hinweg? Ein schöner Gedanke, finde ich. Auf jeden Fall scheint es eine soziale Bewandtnis zu haben.
Irgendwie.
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