Schon an der pädagogischen Hochschule verfasste ich Blogs. Jedoch nutzte ich bloss das Angebot, dass man vorweg Punkte macht, die letztlich überschüssig sein würden.

Die Kriterienliste für Blogs war leicht zu überblicken: Hat der Blog soundso viele Wörter? Ja oder nein. Hat er Bilder? Ja oder nein. Ist er verlinkt? Und wenn ja, wie oft? Werden Filme verarbeitet? Ja oder nein. Hat der Autor mindestens zehn Kommentare auf anderen Blogs veröffentlicht? Ja oder nein.

Diese Kriterien veranlassen eher zu Spott als zu Ärger. Kommentare sind rasch ersonnen, Artikel oder Filme, die ähnliche Themen behandeln, leichterhand verlinkt. Viel Bildung geschieht da nicht. Im Übrigen blieb der Verdacht, die Blogs würden bei der Beurteilung inhaltlich gar nicht zur Kenntnis genommen, bis zum Schluss unwiderlegt.

Das letzte Kriterium der Liste jedoch versetzte mich in Rage, dann in Gelächter. Es lautete: Ist der Blog gehaltvoll? Ja oder nein.

Da glaubte wohl jemand, er könne drei Jahrhunderte Geisteswissenschaft sowie Hermeneutik und Rhetorik an zwei Jahrtausende stark in ein einziges Kriterium stopfen, das wie die anderen schlicht digital belegbar wäre. Ja oder nein. Wie möchte man den Gehalt einer sprachlichen Produktion so ermitteln?

Diese Peinlichkeit überforderte mich. Ich ging erst aus und soff mich voll.

Daraufhin ersann ich weitere Kriterien, die die Frage nach dem Gehalt ausfächerten, damit diese Peinlichkeit abgefedert würde. Mein Fremdschämen würzte sich mit Angriffslust. Die meisten dieser Kriterien sind mir leider entfallen, abgesehen von diesem:

Wird der Blog von einem Angehörigen einer anderen Kultur verstanden? Ja oder nein.

Und schon sah ich Absolventen, wie sie kurz vor Abgabetermin mit dem Blog in der Hand verzweifelt einem Gaststudenten aus Indien oder Mexiko nachrennen.

Dann ihre Verzweiflung, wenn der kein Wort davon versteht.

Dann ein schlichter Tausch: Die Unterschrift, der Blog sei verstanden worden, gegen einen Grüntee oder ein Glas Wein.