Der wahre Frühling entfaltet sich unter Menschen an der Schwelle zum Winter. Besonders dann werden sie zu vorsätzlichen Tätern ihrer Fruchtbarkeit. Sinnlichkeit der Früchte. Ernteüberschuss. Wider Erwarten kommt es häufiger zu Sex als im Frühjahr. Der Sommer wird in ein Festzelt verpackt, die Freude ergiesst sich wie eine Gnade auf die Leute. Sie verzehren, sie verströmen.

Auch hier: Was lebt, sortiert sich selbst. Im Zelt schäumt Freude auf, immer wieder stemmen sie Tische zur Decke, in Bierseligkeit vereint wie in einem Bad. Eine wohlige Schönheit, wie sie mir auch schon zuteil wurde, als ich mich mit Huhn vollstopfte, als ich blonde Milch genoss.

Gegen Mitternacht aber legt sich um das Zelt ein Ring der Enttäuschung. Das Leben sortiert erneut. Einige haben zu viel Hoffnung eingebracht, auch Gerangel unter engsten Freunden und Beziehungsknatsch. Für Dinge dieser Art will eine Garderobe erst erfunden sein. Es kommt zu Szenen. Die Erbosten werden ausgeschieden, denn die Freude will so kurz vor dem Winter ungetrübt genossen sein, da gilt kein Pardon.

Vielleicht sollte man das Ganze als eine Art Reinigung erachten. Draussen ist von Darmausgängen und schwulen Böcken die Rede. Steuerpflichtige Berufstätige brüllen herum, sodass ihr Speichel trieft. Zu meinem Entzücken entfaltet sich eine Prügelei. Die Faust trifft tonlos auf Wangenspeck. Einer wird von zwei Seiten gestützt, erschöpft vor Wut und Suff. Seine Latzhose hängt an ihm herunter. Im Zusammenbruch fand er wohl den letzten Ausweg aus Hass und Scham.

Und dann die Jugend: Woher ihr grandioser Aufmarsch? Die Eltern sind Naturschützer und Selbstfinder. Mein Alter, im Übrigen. Alles Zwischenmenschliche wird bei ihnen auseinander gelegt und wohl erwogen. Persönliche Intimität gilt ihnen für öffentlich. Sie scheiden Ehen aus Vernunft, gründen Patchwork aus Vernunft, gehen aus Vernunft Lebensabschnittspartnerschaften ein. Ergebnis: Die Kinder fliehen ins Brauchtum, wählen rechtskonservative Politik.

Was für beide Generationen gilt: Keine hat ihr Anliegen gewählt.