Im Lehrberuf bin ich ein Quotenmann. Damit lässt sich gut herumwitzeln. Die peinliche Scham, dass ich womöglich bloss wegen meines Geschlechts die Auslese bestand, sollte mir zu denken geben. Wer dafür hält, dass in Führungsgremien Frauen vertreten sein sollen, muss andere Überzeugungen aufgeben, die ihm oder ihr am Herzen liegen. Andernfalls besteht ein Widerspruch, der die Politik für eine solche Quote angreifbar macht.

Laut UNO oder OSZE sind Frauen in der Schweiz in Führungsgremien von Unternehmen bislang untervertreten. Hingegen dürfte die Verteilung der Geschlechter in Parlamenten wie Exekutiven auch ohne vorgeschriebene Quote für gewährleistet gelten. Die Argumente zu dieser Debatte laufen immer wieder heiss. Die einen betonen entnervt, die Türen ständen für Frauen offen, aber sie kämen nicht, sie bevorzugten an Hochschulen eben Orchideenfächer statt Management oder Betriebsökonomie. Die Quotenregel besagt, dass in Führungsgremien Personen beider Geschlechts Einsitz nehmen sollen. Profil und Charakter spielen dann nur in zweiter Hinsicht eine Rolle, oder sie müssen vorab gewährleistet sein, damit das Geschlecht unter Geeigneten die Wahl entscheidet. Wer immer die Quote in dieser Form befürwortet, hat eine Eigenschaft im Auge, die unabhängig von Profil und Charakter etwas Eigenes beisteuert, das auf die Entscheidungsfindung des Gremiums förderlich wirken soll. Folglich etwas Geschlechtsspezifisches. Ansonst würde sich alles nur um Profil und Charakter drehen, wie es manche befürworten, statt irgendwelche Quoten zu befolgen. Was immer jemand für richtig hält, wenn er für die Quote als Vorschrift einsteht, er hat etwas spezifisch Weibliches im Auge, ob ihm das passt oder nicht. Die Quote fordert einzig das Geschlecht. Suchen wir aber nach diesem besonderen Unterschied, wird es peinlich altbacken: Wäre das Mütterlichkeit? Sozialer Feinsinn? Rücksichtnahme? Gegenüber der Konkurrenz gewiss nicht. Mehr Bauch als Verstand? Nestwärme? Mir sind Frauen bekannt, die selbst in leitender Funktion überlange Geschäftstelefonate führen. Eine gestand mir, sie rede so lange vom Gleichen, bis sich bei ihr ein gutes Gefühl einstelle. Das klingt nicht sehr betriebsökonomisch. Auch zweifeln viele daran, ob Frauen in der Lage sind, berufstätige Väter oder Mütter auf die Strasse zu stellen, wenn im Unternehmen Kassensturz ansteht.

Nun aber fällt mir auf, dass Befürworter der Quotenregel für einen fixen Frauenanteil in Führungsgremien meistens auch die These vertreten, das Geschlecht sei sozial konstruiert.

Damit wird angesprochen, was als Gender mittlerweile gängig geworden ist. Konstruiert aber wird das Geschlecht durch eine patriarchale Gesellschaft, die abgeschafft gehört. So lautet eine Vorannahme dieser Überzeugung. Die Mutter, die sich aufopfert, die Ehefrau, die von den Lippen ihres Gatten liest, der sich für die Familie in Unterhalt und Schutz verausgabt. Daher fordert er Entspannung ein, wenn er sie nötig hat. Die genannten Eigenschaften von Rücksichtnahme bis zu mehr Bauch als Verstand gehören zu diesem sozialen Konstrukt.

Befürworter der Quotenregel können unmöglich wollen, dass dieses phantomhafte Überbleibsel eines Patriarchats in sämtlichen Führungsgremien Einsitz nimmt.

Freilich halten sie auch die so genannte Männlichkeit für sozial konstruiert. Der Held als ein Archetyp, der bekanntlich auch heute im Management herumgeistert. Oft heisst es, Frauen in Führungspositionen verhielten sich eher als bessere Männer. Damit wechseln sie nur die soziale Konstruktion im patriarchalen Sinne.

Sollte jemand einwenden, die Quote habe einfach nur repräsentative Funktion, dann muss er auch anderen Gruppen das Quotenrecht, sprich die Quotenpflicht zugestehen. Das wären Gruppen wie etwa Ausländer, unterschiedliche Generationen, Vertreter bestimmter Berufsverbände, unterschiedliche Ethnien eines Volkes, Atheisten, Gläubige diverser Couleur. Auch müssten geschlechtliche Zwischenformen von Mann und Frau berücksichtigt werden, die heute zum Verdruss vieler genauso verbindlich gelten sollen. So rekrutiert man den Chef der Schweizer Armee einmal aus dem Protestantismus, früher zumindest, dann aus dem Katholizismus, einmal aus der Deutschschweiz, dann aus dem Welschland. Desgleichen Bundesräte. Bei dieser konsequenten Anwendung würde die Quotenpraxis völlig überdehnt.

Ausserdem stellt die blosse Repräsentation zwar die Gruppe zufrieden, die von ihrem Mandatsträger vertreten wird, und das sichert politische Stabilität, aber sie garantiert keine fachliche Aufwertung. Ausserdem hat die Politik der Repräsentation leicht etwas Anrüchiges. Bestmöglicher Sachverstand wäre kurzfristig wichtiger als die längerfristige Zufriedenstellung einzelner Gruppen. Aber diese Sichtweise kann täuschen.

Die Quotenüberzeugung und die Überzeugung der sozialen Konstruktion des Geschlechts schliessen einander aus.

Man wähle. Wie unangenehm, dieser sachbedingte Wahlzwang, das verabscheuen wir Modernen.

Aber beides geht nun mal nicht.