Meine Welt ist abgeschlossen. Ich habe sie den Mediamatikern zum Abschied gewidmet.

Entstanden ist ein Labyrinth, in dem Kunstinstallationen verteilt sind. Dabei stelle ich vorweg klar, dass diese Installationen selbst keinen künstlerischen Rang beanspruchen. Sie bedeuten lediglich Kunst oder markieren sie in der gesamten Anlage. Über ihren allfälligen künstlerischen Wert kann ich persönlich nicht befinden.

Die Anlage heisst jetzt «New Xanadu». Xanadu ist ein sagenumwobenes Schloss aus dem alten China, das unter anderem im Film «Citizen Cane» von Orson Wells bekannt wurde. Das Schloss beherbergt ein Höhlensystem mit Wassern, die zum Meer führen. In meiner Anlage heisst dieser Bereich Quellgebiet. Wieso, weiss ich nicht. Das sind Einfälle, die kommen und gehen. Im Verlaufe meiner ersten Versuche in diesem Spiel wurde es mir überhaupt zum Anliegen, dass ich möglichst wenig plane. Grundrisse zog ich nach Gefühl, bog irgendwann bald nach rechts, bald nach links, stapelte solange in die Höhe, bis ich fand, es sei genug.

Die Anlage erinnert daher nicht nur an ein Schloss oder an eine Burg. Schon früh bestand ja meine Absicht darin, eine Art Termitenstaat zu errichten. Deshalb fehlt der Anlage ein zentraler Zugang. Man durchfliegt eine ihrer zahlreichen Lücken, die an Fenster gemahnen, und lässt sich irgendwo auf dem Weg nieder, der mit dunkelgrauem Teppich ausgelegt ist und als ein einziger Rundgang durch das gesamte Labyrinth führt. Und natürlich gibt es einen Geheimpfad, der gleichfalls als Zyklus angelegt ist.

Der Anlage fehlen Anfang und Ende. Es gibt auch keine Mitte. Damit ist die Nicht-Linearität der gesamten Konzeption gewährleistet. Nichts ist zentralisiert, sondern beliebig verteilt, sodass es sich genauso gut um eine Art Gehirn handeln könnte. Gehirne haben keine Zentren, vergleichbar mit Hallen, wo Wege zusammenliefen und ein seltsames Ich auf dem Thron sässe. Zwar gibt es Gehirnzonen, aber das sind nur Schwerpunkte, die flexibel organisiert sind.

Meine Ansprüche stiegen hingegen bei der Farbzusammenstellung. Früher hatte ich verschiedene Wege mit verschieden farbigen Teppichen ausgelegt, doch diese Buntheit wetteiferte zu stark mit den Kunstinstallationen. Der beige Sandstein passt als Innenverkleidung sehr gut zum weinroten Netherziegel, der die Aussenwände schmückt. Zusammen mit der rosa Keramik, die die flachen Dächer der Anlage belegt, ergab sich insgesamt ein Rotton, den ich mit Grün harmonisch zu ergänzen suchte. So belegte ich das Gelände rund um das Labyrinth vollständig mit Wäldern.

Wenn sich beim Gestalten Möglichkeiten ergaben, die ansprechend wirkten, behielt ich sie bei. Das Wasser zum Beispiel gefiel mir erst, als ich ihm Glühsteine unterlegte. Auch die Beleuchtung veränderte sich mit der Zeit. Die zufällig gefügten Fackeln ersetzte ich durch glasierte Keramik, die nun mit zusätzlichem Glas ausgeschmückt und mit Fackeln bestückt an geeigneten Plätzen im Raum schweben. Mir missfiel es zudem, wenn die verschiedenen Materialien bündig ineinander übergingen, was in der Wirklichkeit problemlos zu bewerkstelligen wäre. Sie sollten mit mindestens einem Block voneinander so abweichen, dass das Ganze wie ineinander gesteckt oder verzahnt wirkt. Die Treppen mit ihren Balkonen und Galerien sollten sich, wann immer möglich, von der Wand um mindestens eine Blockreihe abheben. Die vielen kleinen Gärten, die ich als Lückenfüller einbaute, wo immer es sich anbot, haben allesamt Lichtquellen. Das verleiht ihnen auch eine schöne, künstliche Atmosphäre. Die Antennen sind zu Ehren meines Vaters angebracht, er betrieb früher in seiner Freizeit ausgiebig Radioastronomie, heute altershalber eher weniger.

Das stellt mein Anliegen zufrieden, dass ich vermehrt die Einheit von Natur und Kultur in den Blick bekomme.

In eineinhalb Jahren verbrachte ich laut Statistik eine ganze Woche im Spiel. Dabei verblieb ich durchwegs im kreativen Modus. Nie führte ich das Leben eines Pioniers und Kämpfers. Die Kohlevorkommen im Felsen missachtete ich genauso, wie die Goldadern oder die verschiedenen Arten von Kies. Die ganze Zeit über fiel es mir schwer, die Monster und Spinnen auszuschalten, die mir immer wieder neugierig in die Quere kamen. Auch für weitere Vorhaben mit „New Xanadu“, etwa eine Verfilmung, sollen die Viecher angestellt bleiben, auch wenn sie auf den Installationen herumklettern.

Denn es ist Faschismus in Reinform, wenn man natürliche Dinge, die einen stören, auf Knopfdruck entfernt.

Man kann beanstanden, ich hätte das Spiel im ästhetischen Sinn zweckentfremdet. Das zeigt aber zugleich, welche Möglichkeiten Minecraft bietet. In meiner Generation und älter herrschen trübsinnige Vorurteile, was diese Sache angeht. Einst warfen wir den gesellschaftlichen Autoritäten Ignoranz vor. Nun sind wir an ihre Stelle gerückt. Offensichtlich gilt die Einsicht, dass jeder mit den Jahren der Schwerkraft des Lebens erliegt.

Trotz dieser Vorurteile darf ich abschliessend bekräftigen, dass sich mit Minecraft durchaus Kunst machen lässt.