Bahnhof Aarau: Eine Familie mit zwei Jungen macht sich bereit, die Fahrräder mitsamt Gepäck zu verladen. Die Eltern sind nervös, sie ahnen, der Kurs nach Zürich dürfte voll belegt sein.
Also besprechen sie das Vorgehen, die Handgriffe, die Eventualitäten, mit denen zu rechnen ist. So werden die Aufgaben verteilt. Der Kleine steht verdutzt abseits. Sein älterer Bruder soll ihn einweisen, der ist aber selbst überfordert. Auch dass die Eltern ihn brüsk einspannen, stösst ihn vor den Kopf.
Dem Kleinen muss er gewähren, was ihm von jetzt ab öfter verweigert bleiben wird, nämlich dass er sich in solchen Situationen einfach an den Rockzipfel hängt. Wie er dem jüngeren Bruder darlegt, was zu tun sei, scheint sein Gesicht regelrecht verzogen. Einerseits vor Angst und Pflichtschuldigkeit, andererseits von einem ersten Anflug von Drohung, die er an den sorglosen Kleinen richtet.
Verantwortung entstellt das Gesicht mehrfach: Die Drohung überwiegt. Man übt Druck aus, damit andere in die Spur kommen. Am wirksamsten setzt man dafür eine Art Totenmaske auf. Unter uns Modernen reicht dafür ein Gesicht ohne Mimik. Aber auch die Angst zu scheitern zieht am Gesichtsausdruck, dies versteht sich von selbst, wird aber leicht übersehen.
Und zuletzt, aber wesentlich, die Trauer des Verantwortlichen darüber, dass er ungeborgen ist und verletztbar. Auch weiss er, dass von denen, die er unter Druck setzt, kein Trost, sondern eher Angriff zu erwarten ist. Vielleicht beneidet er sie darum, dass sie, im Augenblick zumindest, vor Verantwortung und ihren Folgen verschont bleiben. Dieser Neid wächst am besten zu Hass aus, so wird die Drohung wirksamer, und die Verantwortung dürfte eher glücken. Das traurige Gesicht wird zur Fratze der Verantwortung.
Verantwortung benötigen wir fürs Leben, aber wir nehmen Anleihen beim Tod, damit sie sich garantiert erfüllt.
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