Was lebt, sortiert sich selbst, so auch an der Streetparade: Wenn man vom Hauptbahnhof kommt, lassen sich die Gruppen wie Dantes Höllenringe unterscheiden:
Der äusserte Ring wird von Personen gebildet, die so besoffen sind, dass sie den Weg zur Parade gar nicht erst schaffen. Es dürfte hart arbeitendes Volk sein, das keinen Aufschub duldet und sich schon bei der Herfahrt die Kante gibt. Darauf folgen abgehalfterte Rocker, vorwiegend im Einzugsbereich Niederdorf, die beinah seriös wirken. Ihre Raverzone von damals war das Leben selbst, nicht bloss ein Wochenende im Jahr. Dabei riskierten sie soziales Kapital in beträchtlichem Masse.
Der nächste Ring bildet eine Art Fettgürtel von Zuschauern. In komischer Gleichschaltung hält man Bierdosen in Händen, was früher nur unter Strassenpennern der Brauch war. Kleinere Boys- und Girlgroups sind unter sie gemischt, die nicht nur des gleichen Kostüms wegen auf Gedeih und Verderb aneinander hängen.
Der nächste Ring tritt nur einzeln in Erscheinung: Es sind die hässlichen Einzelgänger, die endlich verstrahlt unterwegs sein dürfen. Sie steuern sich selbst wie Gamefiguren durch ein Labyrinth von lebendigem Menschenfleisch. Darauf folgen die Design-Raver, gut verdienende Leute, die während des Jahres entsprechend angepasst leben. Mitunter schaffen sie es unter die Tanzenden auf den Wagen, einer Art höheren Kaste des Ravertums, die dem innersten Ring nahe ist.
Und was diesen innersten Ring angeht, so habe ich Zweifel, ob seine Vertreter überhaupt auf der Parade erscheinen. Es ist der wahre Raver nämlich, von dem ich vermute, dass er ein Mystiker ist, ein Schamane des Techno.
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