Zuviel Lärm überall. Jugendliche im Dauergelächter. Johlende, streitende Schüler. Pensionierte Wandervögel in lautstarker Unterhaltung infolge Schwerhörigkeit. Geratter. Geheul. Geschwätz. Auch wenn zur Frage Lärmverträglichkeit eine gewisse Norm besteht, lässt sich die missliche Situation umdeuten.

Die Konflikte sind nur zu vertraut. Den empfindsamen oder überlasteten Leuten unter uns geht das Messer in der Tasche auf, wenn sie Ruhe einfordern. Das Fass läuft allzuleicht über. Seitdem Kopfhörer gängig sind, hat sich die Lage entspannt. Dennoch ist die Beschwerde über zuviel Lärm in aller Munde. Ich persönliche habe mir abgewöhnt, Lärm störend zu finden. Ausnamen vorbehalten, wie sich von selbst versteht. Auch taugt, was ich anrate, zu keinem Rezept. Denn zuallererst ist für die entsprechende Gelassenheit eine grobfühlige Verfassung nötig, die man von Natur aus hat oder eben nicht.

Manchmal aber helfen blosse Überlegungen mehr, als man denkt. Die ganze Vernünftelei der Moderne wäre sonst zwecklos. Ein Freund von mir, seines Zeichens feinsinnig, wird rasch übellaunig, wenn abends die Spülmaschine läuft. Einmal schaltete er sie abrupt aus. Ein Konflikt mit seiner Gattin war angebahnt. Ich meinte dann beiläufig, mich würde das Geräusch angenehm einschläfern. Das fand er interessant, weshalb er die Maschine wieder in Gang setzte. Und er versuchte, die Störung auf meine Art auf sich wirken zu lassen. Ob es nachhaltig gelang, weiss ich nicht.

Eine Bekannte zieht es vor, in Städten zu leben. Vorzugsweise im Einzugsbereich von Promenaden. Auch nachts stehen bei ihr die Fenster offen. Sie hört Gejohle und Geschimpfe und das Geklirr von Flaschen. Dennoch fühlt sie sich aufgehoben. Besonders dann, wenn die Geräusche sich in ihre Schläfrigkeit mischen. Auch bei uns dringt Stimmengewirr aus der Kneipe in unser Schlafzimmer. Das Geschwätz dröhnt erst in der Gasse. Dann aber verwebt es sich mit meinen Träumen, und zwar öfter so, als hätten sie damit zu tun. Und irgendwann plätschert es dahin, in den Schlaf hinein.

Damit diese Hingabe gelingt, stelle ich die Überlegung an, dass die Kneipe, die im Übrigen nur von Einheimischen besucht wird, natürlicherweise zu diesem Stadtteil gehört. Daraus ergibt sich annähernd eine Formel:

Ich gehöre zu einer Welt, zu der diese Kneipe gehört.

Dieser lärmige Ort sagt also genauso viel über diese Welt aus wie meine Person. Das wäre völlig selbstverständlich, jedoch entgeht diese Klarheit den meisten, die diese Welt nur als einen blossen Bereich auffassen, den sie am liebsten vom lärmigen Anteil bereinigt sähen.

Je nach Ausprägung heisst ihr Ansinnen Faschismus.

Wenn man sich hingegen die gemeinsame Zugehörigkeit zu einem Ganzen vor Augen führt, wird entspannt, was lästigfällt. Denn dieses Ganze hat beides hervorgebracht, die Quelle des Lärms genauso, wie das empfindliche Opfer. Nun läuft die Rechnung wie von selbst weiter ab. Streng genommen bis zu dem Ergebnis, dass die Welt alles hervorgebracht hat, mit dem wir zu tun haben. Die Welt, das wäre zumindest dieser Planet zwischen Sonne und Mond, auf dem wir in einem mehrdimensionalen Ozean aus Schweigen unsere Runden drehen.

Wir hängen in allseitiger Tiefe. Ohne Lärm, ohne jeglichen Laut.

So gesehen nehme ich jedes Geräusch froh und dankbar an. In all diesem stummen Nichts gerät Lärm zu einer Offenbarung. Jeder Laut sei eine Verkündigung, wie es eine Nonne in Worte fasste. Sie meinte allerdings den Wald, gewiss nicht das Geratter in Städten. Für mich sind jedoch beides Ereignisse, die das kosmische Schweigen brechen.

Und es muss nicht gleich Gott sein, in dem alles aufgehoben ist.  Aber was wäre es dann? Dieses Ganze.

Das uns Frieden bringt, wenn wir alles, auch den bissigsten Lärm, mit uns selbst darin eingeordnet sehen.